Qualität im Online-Workshop

Dies ist die neunte und letzte Episode von Staffel 1 in der Serie Didaktische Kleinigkeiten. Ich erzähle hier über meinen gestrigen Online-Workshop zum Thema Motivation. In den nächsten Wochen werde ich über diese Serie nachdenken und die Idee weiterspinnen. Wenn Sie die Eröffnung der zweiten Staffel nicht versäumen möchten, abonnieren Sie unseren Blog!

Worum geht es?

Wir vom ZML Team bieten kontinuierlich unterschiedliche Weiterbildungen an, als mehrwöchige Online-Kurse oder mehrstündige Präsenz-Workshops. In den Online-Kursen arbeiten die Teilnehmer*innen im Ausmaß von 20-25 Stunden an einem Thema wie der E-Moderation oder Portfolios. Die Präsenzworkshops widmen sich oft didaktischen Spezialthemen, wie etwa dem Einsatz von Comics im Unterricht oder der Entwicklung spiele-basierter Lernszenarien. Wenn mich ein didaktisches Thema interessiert, lese ich mich ein, diskutiere es in unserem ZML-Leseclub und biete dann einen Workshop an. Gibt es Anmeldungen, findet der Workshop statt, wenn nicht, war das Thema anscheinend nur für mich interessant.

Gestern sollte ein Workshop zur Motivation stattfinden. Vor mehr als einem Jahr setzte ich mich mit der Motivation von Lernenden auseinander, insbesondere wollte ich verstehen, wie extrinsische und intrinsische Motivation zusammenhängen. Den Ansatz der Selbstbestimmungstheorie fand ich dabei sehr hilfreich. Nach dieser Theorie sind wir motiviert, wenn wir autonom handeln, unsere Kompetenzen einbringen und mit anderen dabei in Beziehung stehen können. Siehe auch Ryan, R. M., & Deci, E. L. (2000). Self-determination theory and the facilitation of intrinsic motivation, social development, and well-being. American psychologist, 55(1), 68.

Im Juli und im November 2019 bot ich jeweils einen Workshop zu diesem Thema an. Die Teilnehmer*innen kamen aus dem Hochschul- oder dem Trainingsbereich. Im Workshop wurde gelesen, diskutiert, nachgedacht – und am Ende nahmen die Teilnehmer*innen und auch ich Ideen für den eigenen Unterricht mit. Der für gestern geplante Workshop baute auf den beiden anderen Workshops auf und sollte die vertiefte Auseinandersetzung mit der Selbstbestimmungstheorie ermöglichen.

Ich schätze an meinen Workshops besonders den Austausch mit anderen und dass ich selbst Neues erfahre. Aus dem Feedback der Teilnehmer*innen kann ich entnehmen, dass auch ihnen die Freiheit gemeinsam nachzudenken gut gefällt.

Und jetzt gibt es Corona und mein Workshop findet online statt. Alle, die zum Präsenztermin kommen wollten, möchten auch online teilnehmen. Doch wie kann ich den Spirit meiner Workshops aus der Präsenzwelt in die Online-Welt bringen?

Wie lösen wir das Dilemma?

Mir war gleich klar, dass ich den vierstündigen Workshop auf circa zweieinhalb Stunden verkürzen möchte; einmal weil ich es ermüdend finde vier Stunden lang online zu sein und dann weil man online sehr fokussiert arbeiten kann. Doch wie schaffe ich Raum dafür, wie ermögliche ich es den Teilnehmer*innen online innezuhalten, nachzudenken, zu lesen?

Schema des Online-Workshops

Ankommen

Aus der Gruppendynamik wissen wir, dass die erste Phase der Gruppenbildung herausfordernd ist. Gilly Salmon lehrt uns, dass gerade bei Online-Gruppen die Phasen Zugang und Sozialisierung besonders wichtig sind. Also veranschlage ich eine halbe Stunde für das Ankommen in der Videokonferenz und der Möglichkeit Hallo zu sagen bzw. über die eigene Motivation für die Teilnahme am Workshop zu sprechen.

Ich habe den Teilnehmer*innen mit dem Link zur Videokonferenz auch einen Text zur Selbstbestimmungstheorie zugesendet. Dieser Text enthält sechs Minitheorien, auf denen die Selbstbestimmungstheorie fußt. Als Abschluss der Phase des Ankommens wählen die Teilnehmenden jeweils eine Minitheorie aus, wobei jede Theorie zumindest einmal gewählt werden sollte. Dann ziehen sich die Teilnehmer*innen für eine halbe Stunde mit einem Arbeitsauftrag zurück.

Arbeitsauftrag für die Selbstlernphase

Lesen Sie die ausgewählte Quelle und notieren Sie wesentliche Punkte, wenn Sie möchten, oder recherchieren Sie. Kommen Sie mit einem Produkt zurück, welches sie den anderen präsentieren. Dieses kann ein Slogan sein, eine kurze Erklärung, ein Bild, ….

Arbeitsauftrag aus dem Workshop

Präsentieren und Diskutieren

Ca. 45 Minuten lang präsentieren die Teilnehmer*innen ihre Produkte stellen Fragen und diskutieren diese. Auf diese Weise haben sie sich mit einer der Theorien intensiver auseinandergesetzt und Einblick in die anderen Theorien erhalten. Im Diskurs entsteht eine differenzierte und vielfältige Wahrnehmung der Selbstbestimmungstheorie.

Asynchrone Reflexionsaufgabe

Die Diskussion war dicht, die Köpfe rauchen. Jetzt ist es Zeit noch einmal Freiraum zum Nachdenken und Kaffee Trinken zu gewähren. Für eine Viertelstunde ziehen sich die Teilnehmer*innen aus der Videokonferenz zurück, denken nach, was sie beschäftigt und was sie in ihre Lehr-und Trainingstätigkeit transferieren können.

Gemeinsamer Abschluss

In einer ca. halbstündigen Runde berichtet jede Person vom Ergebnis der Reflexionsaufgabe und gibt ein kurzes Statement zum Workshop ab. Das Feedback ist sehr erfreulich: obwohl der Workshop online stattfand, hatten die Teilnehmerinnen das Gefühl nachdenken zu können, verschiedene Perspektiven kennenzulernen, sich auszutauschen, und neue Gedanken zu generieren.

Meine Checkliste

  • Ich überlege mir, was das Wesentliche in meinen Workshops oder meiner Lehre ist und welcher Lernkultur ich Raum geben möchte.
  • Ich teile den Inhalt in Blöcke und überlege, was gemeinsam in der Videokonferenz und was im Selbststudium passieren kann.
  • Ich passe mein zeitliches Gerüst diesen Überlegungen an.
  • Ich traue mich den Studierenden oder Trainingsteilnehmer*innen Verantwortung zu übergeben – und ich lasse sie etwas produzieren.

Viel Erfolg bei der Implementierung und Adaption, Jutta Pauschenwein alias jupidu